Unter der Wintersonne

Langlauf hat in Lenzerheide Tradition

Links, rechts, links, rechts, den richtigen Rhythmus finden und dann wie auf Schienen über den zugeschneiten See schweben. Auf der Suche nach Konzentration und Entspannung.

Liebe Sara, weisst du, ich will gar nicht auf die Loipe – ich muss! Am liebsten jeden Tag. Nein, das war nicht immer so. Aber seit ich auf der Lenzerheide wohne, bin ich fast ein bisschen süchtig geworden. Das ist ja auch kein Wunder, die Loipen hier beginnen überall und enden nirgends. Da kann man laufen bis man umfällt, buchstäblich. So weit lasse ich es normalerweise nicht kommen. Beim Engadiner Marathon gebe ich natürlich schon Vollgas, hier hingegen suche ich oft einfach nur die Ruhe, das innere Gleichgewicht und geniesse es, allein mit meinen Gedanken durch die stille Natur zu gleiten.

Andere laden die Batterien vor der Kiste oder mit einem Buch auf dem Sofa auf, ich muss dazu einfach nach draussen. Natürlich bin auch ich nicht immer topmotiviert. Dann suche ich einen Vorwand, um nicht gehen zu müssen. Vielleicht ist das Wetter nicht perfekt, es ist zu kalt oder zu warm oder die Zeit ist etwas knapp. Meist gebe ich mir dann aber einen Ruck und dem inneren Schweinehund den Gnadenstoss und zehn Minuten später fliege ich schon über den Schnee und bereue es keine Sekunde.

Stell dir vor, ich bin so angefressen, dass ich manchmal sogar mit der Stirnlampe unterwegs bin! Wie ein verirrtes Pistenfahrzeug in der Nacht. Ich habe schon Leute gesehen, die deswegen den Kopf geschüttelt haben. Das ist mir ziemlich egal. Die Stimmung am Abend ist unbeschreiblich und man hat die ganze Loipe für sich allein – ein Traum, ja ein richtiges Wintermärchen ist das, vor allem bei Vollmond!

«Lass uns draussen durch den Winter brausen.
Ohne Pläne, Ziele und Termine.
Nur nach Lust und La
une. Das macht Spass.»

Übrigens, es geht auch ohne Stirnlampe. Ab und zu gehe ich auf die beleuchtete Nachtloipe in der Biathlon Arena. Das ist wirklich eine ziemlich coole Abwechslung. Überhaupt, in Sachen Abwechslung bleiben hier auf der Lenzerheide keine Wünsche offen.

Wenn du noch nicht gut langlaufen kannst oder damit beginnen möchtest, dann sind die Loipen zwischen St. Cassian und dem Golfplatz oder rund um den Heidsee genau das Richtige für dich. Mit dem Sportbus oder dem Postauto kommst du überall hin – und auch wieder zurück, falls dir unterwegs mal die Puste ausgeht! Die Anfängerloipen sind wie die Skipisten blau markiert. Irgendwann kommt dann auch bei dir der Tag, an dem du dir selbst oder deiner Begleitung beweisen willst, dass du in Sachen Langlauf nicht mehr an den «Idiotenhügel» gehörst. Jetzt kommen die roten Loipen ins Spiel. Sie verteilen sich auf der Lenzerheide übers gesamte Loipennetz.

Ab sofort ist nicht nur gleiten, sondern auch steigen angesagt, denn die Höhenmeter wollen ja irgendwie gemeistert werden.

Mein Tipp: Die rote Loipe in Richtung Bual in Lenz bringt dich zu einem der schönsten Plätze im ganzen Hochtal. Es geht natürlich auch noch eine Nummer heftiger: Wenn du die schwarze Rennloipe La Pala in Angriff nimmst, solltest du allerdings wissen, was du tust. Sonst könnte es für dich in einem entwürdigenden Schauspiel enden. Die mit 133 Höhenmetern anspruchvollste Lenzerheidner Loipe eignet sich nur für technisch versierte und konditionell starke Läuferinnen und Läufer. Mit einer nigelnagelneuen Ausrüstung ist es nicht getan, «Carbon statt Kondition» funktioniert hier weniger.

Aber von den «Rennmaschinen» und Hobby-Colognas zurück zu uns Genussgleitern. Für uns gibt es jetzt noch eine zusätzliche Runde, die sogenannte Herz-Loipe:

Langlaufzentrum Canols – Hotel Seehof – Parkplatz La Riva – Seerunde – Langlaufzentrum Canols


Sie wurde von der Schweizerischen Herzstiftung zusammen mit Loipen Schweiz lanciert. Es ist eine von acht Herz-Loipen in der Schweiz. Es sind immer Rundloipen ohne Gefälle, speziell für Einsteiger und alle, die etwas für ihre Herzgesundheit tun wollen.

Das ist natürlich auch ein Aspekt, die Gesundheit.  Aber ich würde nicht sagen, dass ich deswegen so oft auf den schmalen Brettern stehe. Langlaufen bedeutet mir viel mehr: Es ist der Spass an der körperlichen Bewegung und der eigenen Leistungsfähigkeit, aber es ist auch ein Abschalten nach der Arbeit. Es ist wie ein kleines Stück Ferien. Nichts mehr denken müssen. Nur noch in Bewegung sein, die Natur wahrnehmen, den Rhythmus finden. Immer weiter und weiter zieht es mich dann jeweils hinein in die weisse Winterlandschaft. – Manchmal setze ich mir ein Ziel und belohne mich am Schluss – egal ob ich es geschafft habe oder nicht. – Carpe diem!